Artist Insights - Johannes Moser
Was heißt es, kreativer Musiker im 21. Jahrhundert zu sein? Wo verorten wir uns als Künstler in einer musischen Landschaft, welche sich einerseits eines großen Publikumsinteresses und jahrhundertealter Traditionen versichert sein darf, andererseits von manchem/r Politiker*In unter dem Eindruck von Corona als nicht systemrelevant klassifiziert wurde? Die immerwährende Suche nach künstlerischer Exzellenz ist nicht verhandelbar, doch stellt sich die Frage, ob wir einfach so weitermachen können wie zu Zeiten Gustav Mahlers: Mit großen Klangkörpern in Musentempeln, mit einem Repertoire, das überwiegend aus der Kaiserzeit stammt.
Für mich stellen sich die Antworten auf diese Frage mehrdimensional ein. Einerseits als weltreisender Solist, andererseits Lehrender an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln, hier künstlerischer Ausdruck, dort die Förderung des musikalischen Nachwuchses. Den Fortschritt suchen, aber die Tradition nicht vergessen oder gar negieren. Auf der Bühne alles geben und am nächsten Tag einen Schulbesuch im Rahmen meiner Outreach-Tätigkeit machen. Auf meinem Guarneri-Cello aus dem Jahr 1694 die über Jahrhunderte gereiften Klangfarben genießen, aber gleichzeitig auf meinem elektrischen Silent Cello neue, unbekannte Wege beschreiten.
Neben aller tradierter und wichtiger Hochkultur sind gerade diese neuen Wege ein wichtiger Antrieb für mich. So hob ich 2011 mit dem Los Angeles Philharmonic das Elektro-Cellokonzert von Enrico Chapela aus der Taufe, seitdem habe ich es an die 30 Mal weltweit aufgeführt. In jüngster Zeit habe ich 6 KomponistInnen beauftragt, für elektrisches Cello und Surround-Setup zu schreiben. Das Publikum kann durch einen Kreis von 8 Lautsprechern wandeln und auf klangliche Entdeckungsreise gehen. Ich selbst sitze in der Mitte und spiele von dort die Kompositionen. Da es keine Bühne gibt, kann das Publikum an mich herantreten, ohne eine Bühne überwinden zu müssen, die Zuschauer und Musiker trennt. Auch im Education Bereich schlägt mein Silent Cello Brücken; die die Neugier und die Begeisterung von SchülerInnen an diesem Instrument und seinen schier unendlichen Möglichkeiten sind immer immens! Im Grunde übernehmen dann die SchülerInnen das Kommando und alle wollen das Instrument ausprobieren, auch wenn sie noch nie ein Streichinstrument in der Hand hatten.
Wenn es also ein Credo gibt, dann lautet dieses: Lebe Kunst und Musik so breit und so umfassend wie möglich! Nutze sie als Kommunikationsinstrumente! Neugier und echtes Interesse sind bekanntlich immer noch die größten Motivatoren - und das gilt eben für SchülerInnen genauso wie für meine eigene tägliche künstlerische Arbeit am Instrument.